„Faul.“ Das war das Wort, mit dem Eric Maxim Choupo-Motings Vater seinen Sohn auf dem Fußballplatz beschrieb. Dieses eine Wort spornte den Jungen an, seine Technik zu verbessern und härter an sich zu arbeiten, um der Spieler zu werden, der er heute ist. Mittlerweile ist er Stürmer bei Paris Saint-Germain und vor allem für seinen kreativen und zielorientierten Fußballstil bekannt. In einer niederländischen Ausgabe von Life After Football sprach „Choupo“ 2016 über seine Kindheit, seine Ansichten zu Talent versus Fleiß und die Bedeutung seiner Herkunft.
Fotos: Nils Müller
Dein Vater ist ein ehemaliger Basketballspieler. Wie bist du zum Fußballspielen gekommen?
Ich war so jung, dass ich mich nicht einmal daran erinnere, aber mein Vater erzählt mir immer wieder, dass ich drei Jahre alt war, als ich anfing, einen Fußball zu treten und davon besessen war. Er kommt aus Kamerun. Dort ist Fußball die beliebteste Sportart. Man könnte sogar sagen, dass es dort ein Nationalsport ist – das erklärt, warum wir zu Hause überhaupt einen Fußball hatten. In meinen ersten Erinnerungen bin ich fünf Jahre alt und spiele Fußball. Und dann erinnere ich mich natürlich an meinen ersten Meilenstein: Mit sechs Jahren ging ich zu meinem ersten Verein. Wenn ich zurückdenke, stimme ich meinem Vater zu: Ich war von Anfang an besessen. Selbst wenn es regnete, ging ich auf den Platz, um Fußball zu spielen. Für eine, zwei oder drei Stunden, selbst wenn ich alleine war, weil niemand herauskam. Ich bin sehr dankbar, dass mein Vater nicht derjenige war, der unbedingt wollte, dass sein Kind dasselbe tut wie er. Mein Vater war derjenige, der sah, dass ich ein Talent hatte, wenn auch nicht in seiner Sportart Basketball.
Du hast also eine leidenschaftliche Beziehung zu Fußball?
Definitiv! Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass ich dank des Fußballs nie vermisst habe, Geschwister zu haben. Vielleicht ist meine Beziehung zum Fußball vergleichbar mit einer engen Beziehung zu Geschwistern. Ich habe Freunde, die sagen, Geschwister zu vermissen, aber mir hat dank Fußball nie etwas gefehlt.
Hast du eine gute Beziehung zu deinem Vater?
Ja, er war von Anfang an einer meiner größten Fans, als noch niemand wusste, wohin mein Talent führen würde. Er ist immer ehrlich. Das schätze ich am meisten! Als Kind kam ich nach jedem Spiel zu ihm, um herauszufinden, wie gut ich gespielt habe. Ich sagte dann: „Ich habe gut gespielt, ne? Wir haben bei diesem Spiel fünf Tore erzielt und drei davon hab ich gemacht.“ Ich habe in dem Moment etwas Freude von ihm erwartet, aber es kam nichts. Er sagte nur: „Nein, ich zeig es dir später.“ Zurück zu Hause zeigte er mir Videos, die er während des Spiels gemacht hat. Jeder Spieler rannte – ich aber spazierte, bis mir jemand den Ball zuspielte. Erst durch diese Erkenntnis wurde ich zum aktiven Spieler. Von diesem Moment an habe ich mit dem Ball gearbeitet, sobald ich ihn hatte: Ich bin gelaufen, ich habe alles getan, um mein Spiel zu verbessern. Mein Vater hat immer gesagt, dass ich zwar Talent habe, aber faul bin. Und es ist wahr – laufen oder kämpfen war nicht meine Stärke. Als mein Vater mich kritisierte, war ich wütend, aber auf lange Sicht ist solche Kritik so wertvoll.
Wann hast du gemerkt, dass es mit dir und dem Fußball ernst wird?
Ich habe es eigentlich nie wirklich realisiert, da ich nie den Traum und die Vorstellung hatte, professioneller Fußballspieler zu werden. Es kam mir überhaupt nicht in den Sinn. Als Kind war ich schon ziemlich talentiert und war immer einer der besten in den Clubs, in denen ich gespielt habe – das merkt man schon in jungen Jahren. Ich wollte zwar immer in einem echten Stadion spielen, aber ich habe nie eine professionelle Fußballkarriere damit verbunden.
Dein Leben dem Sport zu widmen, bedeutet, viele Dinge zu opfern, besonders als Teenager, als du immer trainieren musstest, anstatt mit deinen Freunden abzuhängen. Hast du mal das Gefühl gehabt, einen Teil deiner Jugend zu verpassen?
Ich habe in der Tat viel verpasst. Und das ist auch heute noch so. Als Teenager ist es nicht einfach, da die Communities ein wichtiger Teil im Leben sind. Du willst wie alle anderen sein und genau das bist du nicht, wenn du auf diesem Level Fußball spielst. Mädchen kennenlernen, Partys, rauchen, Alkohol trinken. Ich wusste, dass das nicht gut für mich war und auch die Leute, die mich unterstützten, sagten: „Sei vorsichtig, mach das nicht, sonst schaffst du es nicht!“
Das waren ganz schöne Opfer, die du gebracht hast.
Also, wenn ich heute daran zurückdenke, weiß ich, dass genau diese Opfer für meine Karriere wichtig waren – neben meinen körperlichen Fähigkeiten vielleicht sogar das Wichtigste. Rückblickend denke ich, dass diese Opfer den Unterschied zwischen mir und anderen Fußballspielern gemacht haben, die genauso gut oder sogar besser waren als ich.
Ist Opfer bringen dein Erfolgsgeheimnis?
Es ist Talent in Verbindung mit der Bereitschaft, Opfer zu bringen. Und Kontinuität und Ausdauer. Talent alleine reicht nicht, um weiterzukommen. Übung macht den Meister! Übung ist so wichtig, dass du deinen Weg sogar mit Übung alleine schaffen kannst, ohne ein besonderes Talent zu haben. Das funktioniert umgekehrt nicht. Talent allein bringt dich nicht weiter.
Du bist offensiver Mittelfeldspieler und Stürmer. Inwiefern passen diese Positionen zu deiner Persönlichkeit?
Offensive Mittelfeldspieler und Stürmer gelten als kreativ und zielorientiert. Genau so würde ich mich auch beschreiben. Im Fußball geht es entweder darum, Tore zu verhindern oder Tore zu schießen. Ich bin definitiv der zielorientierte Spieler, der Tore schießen will und das merkt man auch auf dem Platz.
Ziele sind ein gutes Stichwort. Was ist dein langfristiges Lebensziel? Kannst du dir ein Leben nach dem Fußball vorstellen?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt einige Dinge, die ich neben dem Fußball wirklich gerne mache, aber ich denke, am Ende ist es wirklich der Sport, der mein Leben prägt. Aktuell sehe ich mich zum Beispiel nicht als Trainer, was für viele andere Spieler ein Karriereziel ist. Andererseits würde ich gerne etwas mit Kindern machen. Vielleicht einen Fußballverein oder eine Schule für Kinder. Es ist wichtig, von Leuten umgeben zu sein, die dich unterstützen. Mein Vater arbeitet mit einem Kinder- und Jugenddienst zusammen und ich finde das super interessant. Besonders bei Einwandererkindern entdeckt man so viele Talente. Ja, ich denke, das würde ich gerne tun: mit Kindern unterschiedlicher Herkunft arbeiten und ihnen helfen!
Dein Vater ist aus Kamerun – du bist also halb Kameruner, halb Deutscher und in Deutschland aufgewachsen. Du hast für Deutschland in der U21 gespielt, aber bist dann in die Nationalmannschaft von Kamerun gewechselt, warum?
Es war eine Herzensentscheidung! Natürlich kann man mit einem Team wie Deutschland mehr Titel gewinnen, weil das Team einfach besser ist. Die Nähe zu Kamerun, zu den Menschen, der Mentalität und dem Lebensstil waren für mich aber wertvoller als die Titel. Die Erfahrung, für beide Länder gespielt zu haben, beschreibt mich sehr gut: Ich bin nicht nur Deutscher, ich bin auch nicht nur Kameruner, sondern eine Kombination aus beidem und das wollte ich mit dem Wechsel nach Kamerun darstellen: Ich spiele für beide Länder und vertrete sie damit.
Du bist in Hamburg aufgewachsen. Wie ist deine persönliche Beziehung zu Kamerun?
Sehr intim, würde ich sagen. Gut und stabil. Wir haben immer die Sommerferien in Kamerun verbracht, als ich ein Kind war. Seitdem ich für die Nationalmannschaft von Kamerun spiele, war ich häufiger dort.
Was ist beim Fußball der Hauptunterschied zwischen Deutschland und Kamerun?
Der Status des Fußballs und der Spieler. Wie ich bereits erwähnte, ist Fußball der Nationalsport in Kamerun. Fußballspieler werden dort wie Götter behandelt. Ich kann in Kamerun nicht einfach durch die Straßen gehen, ohne Kapuze auf dem Kopf. In Deutschland ist das nicht so extrem.
Wie organisierst du deine Tage nach dem Fußballtraining?
Ich fahre nach Hause, verbringe Zeit mit meinem Sohn und wenn er schläft, esse ich mit meiner Frau zu Abend. Manchmal, wenn wir einen Babysitter haben, gehen wir essen oder ins Kino.
Du beschreibst dein Spiel als kreativ und zielorientiert. Wie drückt sich deine Kreativität außerhalb des Feldes aus?
In meiner eigenen Kunst: Ich male gerne.
Wie sieht das aus?
Meine Bilder sind abstrakt und erinnern an Graffiti.
Hast du eine Verbindung zur Graffiti-Szene?
Ich bin fasziniert von der Entwicklung. Von den frühen Tagen in New York City und von allem, was damit verbunden ist: Dinge wie B‑Boying und die Musik, die dazugehört.
Welche Kunst würdest du kaufen?
Ich mag alles, was ein bisschen anders ist, vielleicht sogar auf den ersten Blick störend. Mark Jenkins zum Beispiel: Seine Kunst ist total verrückt und verstörend und das gefällt mir. Er macht hyperrealistische Skulpturen aus Klebeband in einer dynamischen Haltungd.
Welche Rolle spielt Mode für dich?
Eine wichtige Rolle. Für mich ist es eine Art von Ausdrucksweise.
Welche Marken kaufst du gerne?
Ich versuche Mainstream-Labels zu vermeiden. In der Vergangenheit hab ich mich sehr für die Mainstream-Labels interessiert. Heute versuche ich, nicht auf das Etikett zu schauen, sondern auf das Kleidungsstück und die Form.