Als Aktiver bei Ajax Amsterdam, Juventus, Fulham und Manchester United sammelte der ehemalige Weltklassetorhüter Edwin van der Sar Titel, Rekorde und Auszeichnungen. Unter den insgesamt 26 wichtigsten Trophäen seiner Karriere finden sich mehrere nationale Meisterschaften und Pokalsiege — vor allem in England und den Niederlanden — zwei Champions-League-Titel und zwei Siege bei der Klub-WM (damals noch Weltpokal der Vereinsmannschaften). Bis zur Ablösung durch Wesley Sneijder 2017 war er der Rekordinternationale der Niederlande und kam auf 130 Länderspiele.
Heute gilt er als Paradebeispiel für einen Profifußballer, der auch nach der aktiven Karriere nicht in einem schwarzen Loch versunken ist. Seit er die Geschäfte bei Ajax Amsterdam führt, geht es mit dem lange leidenden Traditionsverein wieder bergauf.
In den Niederlanden ist die rührige Geschichte des Edwin van der Sar (geboren in Voorhout am 29. Oktober 1970) jedem Fußballfan bekannt. Es ist längst Legende, wie er einst als kleiner Junge bei den Amateuren von Noordwijk gescoutet wurde, zu Ajax wechselte, dort aber eher auffiel, weil er sich so schüchtern im Hintergrund hielt. Wie er fast schon buddhistisch geduldig abwartete, nie Ansprüche anmeldete, aber dann umso standfester zwischen den Pfosten Wurzeln schlug, als sich endlich die Gelegenheit geboten hatte, in die erste Reihe zu wechseln. Als zuverlässiger Rückhalt der Golden Generation von Ajax Amsterdam in den 1990er Jahren gewann er dann alles, was es zu gewinnen gab. Auch als Torhüter der Elftal glänzte er beständig und wurde zu einem der besten Torhüter der Welt. In Interviews zeigte er sich aber stets bescheiden und zurückhaltend, wenn auch reflektierend und wortgewandt. Schon damals deutete sich also an, dass er auch als Manager eine weise Führungspersönlichkeit werden könnte.
Dass ein Profifußballer auch nach seiner aktiven Karriere Erfolg hat, ist beileibe nicht selbstverständlich. Ob als Manager, Cheftrainer oder Direktor – viele Ehemalige sind gescheitert. “Ein gutes Pferd ist kein guter Reiter”, hat das der Trainer Co Adriaanse umschrieben. Klar war, dass Van der Sar nach seiner Karriere eine sinnvolle Beschäftigung finden würde. Aber dass er ins Management von Ajax wechseln würde, damit hatte sogar er selbst nicht gerechnet. Das war “nicht wirklich mein Traumjob”, meint er. Er fürchtete, ihm könne der “nötige Schwung” fehlen. Dennoch bereute er den mutigen Schritt nie und fand sich in der Chefetage schnell zurecht. Heute gilt er als Idealbesetzung.
Van der Sar und seine Mitstreiter Marc Overmars, Menno Geelen und Susan Lenderink, aber auch die Trainer Peter Bosz und Erik ten Hag haben in den letzten Jahren dem Verein die Größe zurückgegeben, die er verdient – und haben sich in einem Mehrjahresplan hohe Ziele gesteckt. Der Meistertitel ist Pflicht, um den Klub strukturell mit der europäischen Spitze verbunden zu halten und auch auf dem milliardenschweren Ball der UEFA Champions League soll Ajax ausdauernd mittanzen können.
In Holland garantiert momentan nur der nationale Titel die Teilnahme an der Königsklasse. Zwar befindet sich der niederländische Fußball dank Ajax auf einem guten Weg, aber in der UEFA-Fünfjahreswertung scheint der siebte Platz auf der Liste weiter die höchste erreichbare Platzierung zu sein. Es wird also bei einem Startplatz bleiben. Der Abstand zu den Portugiesen ist erheblich.
Dennoch: Van der Sar schaut nach vorne und will mit Ajax die nächsten entscheidenden Schritte gehen. Das heißt allerdings, dass sich Ausrutscher gegen Vereine wie Getafe, Atalanta, den AS Rom und wie zuletzt gegen Benfica nicht wiederholen dürfen. Auch muss man sich fragen, wie realistisch es ist, dass Ajax in der Lage sein wird, weiter in der europäischen Spitzengruppe mitzuspielen, wenn die Etats der Konkurrenz so viel höher sind und sich die schöne Idee vom Financial Fairplay als Rohrkrepierer erweist? Die Zukunft wird es zeigen. Van der Sar jedenfalls bleibt dran: Er sieht sein Werk als unvollendet.
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