Mit dem Start der Major-League-Soccer-Saison 2020/2021 feiert der neu gegründete Verein Inter Miami CF seine mit Spannung erwartete Premiere. Der Verein wird dabei nicht nur sportlich, sondern auch ästhetisch ganz neue Maßstäbe setzen. Denn verantwortlich für die Corporate Identity und das Logo des Ligadebütanten ist der Künstler Kimou Meyer aka Grotesk. Wir sprachen mit dem gebürtigen Franko-Schweizer, der aktuell als Senior Creative Director bei Nike unter Vertrag steht, über komplexe Gestaltungsprozesse, die hohe Kunst des Merchandising, Miamis Kulturerbe – und darüber, was David Beckham mit all dem zu tun hat. Hier präsentieren wir einen Auszug des Gesprächs, in Ausgabe 01 ist das komplette Interview zu lesen.
Text: Yorca Schmidt-Junker
Es heißt, dass David Beckham sich persönlich für deine Dienste als CI-Gestalter von Inter Miami CF eingesetzt hat, obwohl ihr euch persönlich gar nicht kanntet. Wie kam es dazu?
Rückblickend bin ich immer noch geflasht und kann es manchmal bis heute nicht glauben. Glück und Zufall spielten ganz klar eine Rolle, aber natürlich gab es auch eine Vorgeschichte: Als Mitgründer von Doubleday & Cartwright, meiner damaligen Kreativagentur in Brooklyn, hatte ich mich mit meinem Team auf Logos und Brandings spezialisiert, die nicht nur zweidimensional – also auf Papier – sondern auch dreidimensional funktionierten, zum Beispiel auf Kleidung. Diesen Aspekt im Bezug auf ein erweitertes Merchandising haben viele Agenturen nicht im Blick – und genau das machte uns besonders. Als wir schließlich das Redesign für das Logo der Milwaukee Bucks machten, das dann auf T‑Shirts und Caps einen regelrechten Hype lostrat, brachte uns das riesige Aufmerksamkeit, auch in der Fashionszene. Zumal wir mit „Victory“ ein eigenes Sport- und Lifestyle-Magazin hatten, das unsere Arbeit und unsere Expertise vor allem im Apparel-Design promotete. Eines Tages bekam ich einen Anruf von Mazdack Rassi, dem Co-Founder der Milk-Studios (ein Kreativunternehmen, das sich auf Fotografie, Publishing, Mode und Kosmetik fokussiert hat, Anm. d. Red.). Ich kannte ihn aus meinen Anfangszeiten in New York, wo ich als junger, damals noch angestellter Grafikdesigner mit dem Branding von Milk beauftragt war. Rassi zählt Gott und die Welt zu seinen Freunden – und damit natürlich auch David Beckham. Und so ließ er in unserem Telefonat die Bombe platzen, dass David uns, das Team von Doubleday & Cartwright, gerne für ein großes Projekt einspannen würde.
Ein Anruf, der weitreichende Folgen hatte …
Mir ist buchstäblich der Hörer aus der Hand gefallen. Dann kam aber erst einmal lange nichts. Das ist nicht unüblich in unserer Branche, aber ich fing dennoch an zu zweifeln. ‚Vielleicht haben sie ja eine andere Agentur beauftragt’, dachte ich. Bis Rassi eines Tages wieder anrief und sagte: „Bucht euch schnell einen Flug für kommenden Montag nach London. David will euch kennenlernen.“
Fotos: Anthony Blasko / Supervision
Wie war das erste Treffen?
Drei Tage später flog ich mit unserem Creative Director Pete Macia und unserem Chefstrategen Dudley Versaci nach London. Ohne nähere Infos, ohne ein Briefing, ohne eine verdammte Ahnung, worum es genau ging. Wir wussten nur grob, dass es irgendein Logo betraf, mehr hatte Rassi mir nicht verraten. Demnach konnten wir uns auch nicht vorbereiten. Wir hatten ein paar Arbeitsproben dabei – das war’s! Als wir in David Beckhams Büro ankamen, waren wir dementsprechend nervös. Doch er entpuppte sich als tiefenentspannter, offener und total sympathischer Gesprächspartner. Er kannte unsere Arbeit bereits gut und war beeindruckt von unserer Neuinterpretation des besagten Milwaukee-Bucks-Logos.
Und so wurdet Ihr dann mit der Gestaltung des Inter-Miami-CF-Brandings beauftragt.
Das war fast surreal! Es war immer mein Traum, ein eigenes Logo für einen Profi-Verein zu designen; und dann wurde dieser Traum auch noch von einem der berühmtesten Sportler aller Zeiten angeschoben. Hey, geht’s noch besser?! Aber ich wusste, dass nun viel Arbeit auf uns zukommen würde. Und dass wir uns ganz neuen Herausforderungen stellen mussten.
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Welche genau waren das?
Wir mussten ja nicht nur den Vorstellungen von David, sondern auch denen der anderen Investoren entsprechen. Neben ihm sind das vier Männer mit ganz unterschiedlichen Ethnien und Hintergründen, dazu sind allesamt Milliardäre. Wir hatten keine Ahnung, ob es uns gelingen würde, sie gemeinsam auf eine Linie zu bringen und zu überzeugen. Die andere, mindestens ebenso große Challenge war es, eine CI zu kreieren, die Miami und seinen Bewohnern gerecht werden würde. Die Menschen müssen sich und ihre Stadt in dem Logo wiederfinden, um in Folge eine Akzeptanz und Bindung zum Club aufbauen
zu können. Das ist ein wichtiger psychologischer Aspekt, den man unbedingt miteinbeziehen muss. Und darüber hinaus muss das Logo dann ja auch im nationalen und internationalen Kontext funktionieren.
Inwieweit wird das Pink, welches nun das Logo entscheidend prägt, diesen Vorgaben gerecht?
Miami ist eine multikulturelle Metropole, die von Einwanderern, vor allem aus dem karibischen sowie dem mittel- und südamerikanischen Raum, groß gemacht wurde. Von daher gehören expressive Farben und Pastelltöne zum Kulturerbe der Stadt, was man beispielsweise an den vielen Art-déco-Bauten sieht. Und auch in der Natur Miamis und Floridas spielt Pink eine herausragende Rolle: Die Sonnenuntergänge, die Flora, Flamingos – Rosa findet sich nahezu überall. Als wir in der MLS (Major League Soccer) recherchierten und eine Farbanalyse erstellten, stießen wir auf Rot, Blau, Grün – aber definitiv nicht auf Pink. Das überzeugte uns umso mehr, zumal die Farbe auch für Offenheit und eine gewisse Durchlässigkeit steht.
Rosa im Fußballkontext ist schon mutig. Wobei einige europäische Clubs ja bereits gezeigt haben, dass es funktionieren kann.
Juventus Turin und Manchester United haben bewiesen, dass Pink als Trikotfarbe sportlich wie kommerziell äußerst erfolgreich performen kann. Als Modefarbe ist es sowieso unschlagbar. Und in Zeiten von Gender Fluidity gilt die Farbe auch längst nicht mehr als rein feminines Attribut. Zudem haben wir mit David Beckham ja nicht nur einen Fußballer, sondern auch eine weltweit gefeierte Fashion-Ikone im Hintergrund. Da war Pink schon fast die einzig logische Konsequenz.
Was hat es mit den anderen Symbolen im Logo auf sich – beispielsweise mit den Kranichen?
Du sprichst einen wichtigen Punkt an: Denn tatsächlich haben wir für das Logo keine Flamingos verwendet, sondern Illustrationen vom Great White Heron. Diese Kranichart kommt nur in Südflorida und auf den Keys vor. Genau wie die Gründerväter Miamis ist der Great White Heron einst hier eingewandert und gehört heute zum biologischen Erbe der Region. Damit taugt er als perfektes Symbol für Inter Miami CF, sowohl bei den Einheimischen als auch bei künftigen Fans – und natürlich bei den Spielern. Zumal dieser Vogel sehr wendig, schnell und zielorientiert, ja aggressiv, bei der Jagd ist. Und hocheffizient noch dazu.
Das komplette Interview ist in Ausgabe 01 zu lesen.