Mario Tomašegović
Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Zinédine Zidane – unser Autor hat die größten Genies auf dem Rasen live im Stadion gesehen. Aber The Greatest of all Times, The GOAT ist Diego Armando Maradona. Dem kleinen Argentinier, der am 25.11. verstorben ist, verdankt unser Autor einen der unvergesslichsten Fußball-Momente seines Lebens.
„Maradona“, hallt es durch das Münchner Olympiastadion. 73.500 Fans feiern Diego Armando Maradona mit stehenden Ovationen. Fünf Minuten vor Abpfiff der Partie gegen den SSC Neapel.
Rückblende. 120 Minuten zuvor erschallte ein gellendes Pfeifkonzert. Die Südkurve skandierte: „Mara-Tonna!“ Inspiriert von der Pummelchen-Kampagne der Boulevardpresse, die sich im Vorfeld des Spiels eine Woche lang über Diegos Hüftgold lustig gemacht und ihm den Spottnamen „Mara-Tonna“ verpasst hatte.
Zum Aufwärmen gockelte der Argentinier mit breiter Brust, offenen Schnürsenkeln, heruntergezogenen Stutzen und gegelter Lockenpracht über den Rasen. Unter dem Trikot wölbte sich eine kleine Wampe made by Spaghetti Napoli, was ihn nicht davon abhielt, eine Zirkus-Sarrasani-reife Vorstellung mit dem Ball hinzulegen.
Die Pille hüpfte wie an der Schnur gezogen von der Hacke zur Spitze, von der Stirn in den Nacken, hoch in die Luft, fiel auf die linke Schulter und sprang auf die rechte.
Es wurde mucksmäuschenstill im Stadion.
„Da legst di nieda“, rülpste neben mir ein Fan in Bayern-Kutte, der seine dritte Bratwurst verputzte und dem Bullen von Tölz wie aus dem Gesicht und der Statur geschnitten war.
Aus dem Pfeifkonzert und dem „Da nieda legn“ wurde im Laufe des Spiels ein „Ja leck mi am Oarsch, des is a Riesngschicht“.
Der 1,65-Meter-Zwerg Maradona spielte mit unseren Jungs Katz und Maus. Verteilte Beinschüsse, gab Traumpässe und umkurvte gestandene Mannsbilder wie „Auge“ und Co leichtfüßig als seien sie volle Maßkrüge.
Nach einer Blutgrätsche von Norbert Nachtweih lag Maradona am Boden.
Der Schiedsrichter führte die Pfeife zum Mund und setzte zum Pfiff an.
Diego winkte ab, lupfte im Liegen den Ball in die Luft und spielte ihn mit der Hacke zu Stürmer Careca.
Wie vom „Mara-Donner“ gerührt stand ich mit weit aufgerissenem Mund und Gänsehaut in der Südkurve und war verzückt und verzaubert von der Anmut seiner Bewegungen und der Leichtigkeit seines Tanzes mit dem Ball und war erfüllt von tiefer Liebe zum Fußball, dem schönsten Spiel der Welt. Ich war im Bann des Fußball-Zauberers, und ein wohliger Schauer dribbelte von meinen Haar- bis zu den Zehenspitzen.
Bilder explodierten in meinem Kopf: unbeschwerte Tage der Kindheit. Ein Sommerabend auf dem Bolzplatz. Der Geruch frisch gemähten Rasens. Meine Freunde Isi, Lukas, Tarkan und Tommy. Kicken mit unserem Tangoball bis zum Sonnenuntergang. Pitschnasse Trikots, brennende Muskeln, Schürfwunden an den Knien, platt aber glücklich.
Diese Erinnerung und Gefühle weckte Maradona an einem April-Abend 1989 im Münchener Olympiastadion.
Zum ersten und einzigen Mal war mir scheißegal, dass unsere Jungs nicht gewannen und wir das Finale des UEFA Cups verpassten. Zum ersten und einzigen Mal war mir scheißegal, dass ein gegnerischer Spieler unsere Jungs steinalt aussehen ließ. Ich feierte Maradona mit Stehenden Ovationen, zusammen mit über 73.000 im weiten Rund, und freute mich über die Riesngschicht, die mir in ewiger Erinnerung bleiben wird. Bis dass der Tod uns scheidet.