Fußball war für Mitchell-Elijah Weiser immer omnipräsent. Sein Vater war Profifußballer, hat beim 1. FC Köln seine Profikarriere begonnen und nach verschiedenen Stationen dort seine Karriere auch beendet. Wie sein Vater hat auch Mitchell-Elijah Weiser seine Kariere beim 1. FC Köln gestartet. Mittlerweile spielt er für Bayer 04 Leverkusen. Wir haben den 25-Jährigen in Köln getroffen und mit ihm über Yoga, Instagram und die künstlerische Freiheit von Sportlern gesprochen. Außerdem hat er uns im Interview für Ausgabe 01 von Life After Football erzählt, wie er dank LeBron James nun nachts zu mehr Schlaf kommt.
Text: Laura Posdziech
Fotos und Video: Daniel Roché
[penci_video url=“https://youtu.be/8yA16ozhAPU” align=“center” width=“800” /]
FUßBALL
Kannst du dir ein Leben ohne Fußball vorstellen?
Nein. Fußball war schon immer meine Leidenschaft. Ich glaube, selbst wenn mein Vater nicht gespielt hätte, wäre es meine Leidenschaft geworden, aber natürlich war Fußball durch meinen Vater von Anfang an Thema. Ich habe im Garten angefangen zu spielen und bin mit sechs Jahren in einen Verein eingetreten. Dort hat man schnell gesehen, dass ich Talent habe. Ich selbst habe das gar nicht gemerkt, sondern es einfach nur geliebt, Fußball zu spielen. Ob alleine oder mit einer Mannschaft – ich konnte mich wirklich stundenlang damit beschäftigen.
Welche erste bewusste Erinnerung hast du an Fußball?
Ich habe folgendes Bild vor Augen: Mit meiner Mutter stehe ich im Stadion und schaue aufs Spielfeld herunter. Das war in Frankreich. Ich war vielleicht drei oder vier Jahre alt. Meine Mutter hat zum Glück immer viel gefilmt, deshalb ist vieles von früher noch präsent. Es gibt Videos davon, wie ich mit sechs Jahren im ersten Verein gespielt habe. Ich habe mir die Filme vor Kurzem noch einmal angeschaut. Es ist lustig zu sehen, wie ich alle anspiele, überall hinlaufe, immer den Ball haben möchte, ständig grätsche und völlig übermotiviert bin.
Fußballprofi ist für viele Jungs der absolute Traumberuf. Durch deinen Vater hatte der Profifußball eine gewisse Normalität. War es trotzdem ein Traumberuf für dich oder einfach nur eine logische Konsequenz?
Für mich war das nicht normal, sondern total besonders, wenn ich mal mit in die Kabine durfte. Ich habe alle Mitspieler meines Vaters verehrt und war immer Fan von der Mannschaft; vor allem als er beim VfL Wolfsburg spielte. An diese Zeit erinnere ich mich vor allem. Für mich waren das Helden. Und ich wusste, dass ich auch Fußballprofi werden will.
War dein Vater dein Vorbild?
Für mich ist mein Vater ein ganz normaler Vater. Er hat zwar Fußball gespielt und ich finde es cool, dass er gespielt hat, aber ich fand immer diejenigen cooler, die Tore gemacht oder vorbereitet haben. Das waren damals meine Lieblingsspieler.
Hast du heute Vorbilder?
Ich schaue vielen gerne beim Spielen zu, aber ich habe kein konkretes Fußballvorbild mehr. Natürlich bewundere ich die, die auf Toplevel ihre ganze Karriere gestalten und in jedem Spiel abliefern – beispielsweise Messi oder Cristiano Ronaldo. Ein Sportler, der mich richtig gecatcht hat, ist der Basketballspieler LeBron James. In Amerika ist die Darstellung aber auch ganz anders: wie Sport dort allgemein angenommen wird und wie Sportler sein können und wahrgenommen werden.
LEBRON JAMES
Was fasziniert dich an LeBron James?
Dass er immer abliefert, kaum verletzt ist – das mag vielleicht Glück sein, ist aber auch Prävention und Training. Egal was über ihn gesprochen wird und wie hoch der Druck von außen ist, er ist immer da und funktioniert. Das wird so unterschätzt. Vor allem in heutigen SocialMedia- Zeiten. Leute wie LeBron James blenden das komplett aus und so sollte es eigentlich auch sein.
Weißt du, wie LeBron James das macht?
Ja, in einer Podcast-Folge mit Tim Ferris spricht er vor allem über Ernährung, Regeneration und Schlaf. LeBron James schläft neun Stunden und macht dazu noch zwei Stunden Mittagsschlaf. Keine Ahnung, wie das geht. So viel kann ich nicht schlafen, aber seitdem ich den Podcast gehört habe, versuche ich, mehr zu schlafen – so acht, neun Stunden mit kleinen Unterbrechungen durch meine einjährige Tochter.
In dem Podcast geht es im Zusammenhang mit Schlaf auch darum, technische Geräte wie Handys oder iPads bestenfalls eine Stunde vorm Schlafen nicht mehr zu benutzen. Setzt du das auch um?
Bisher noch nicht. Meine Verlobte rät mir auch immer, mal ein Buch zu lesen, aber so weit bin ich noch nicht. Das muss ich noch hinbekommen, statt Playstation zu spielen oder Fernsehen zu schauen.
In Tim Ferris’ Buch „Tools der Titanen“ stellt er die Taktiken und Routinen von Weltklasse-Performern aus den Bereichen Sport, Wissenschaft, Medizin, Kunst und Kultur dar. Viele von ihnen meditieren.
Damit habe ich auch kürzlich angefangen. Beziehungsweise, ich habe mit zwei Freunden angefangen, Yoga zu praktizieren und bin darüber zur Meditation gekommen. Bis kurz vor der Verletzung habe ich einmal in der Woche Yoga gemacht. Selbst das habe ich schon gemerkt. Wie gut man danach schläft und wie erholt man am nächsten Morgen aufwacht …
Hilft dir Yoga auch dabei, mit Druck umzugehen?
Darin war ich zum Glück schon immer gut. Der Druck von außen, beispielsweise wenn irgendwelche Leute auf den Social-Media-Kanälen nach einem schlechten Spiel etwas Negatives schreiben, das geht mittlerweile an mir vorbei.
Du hast das Deutsche mit dem Amerikanischen verglichen. Was läuft in Amerika besser?
Mir kommt es so vor, als könne man in Amerika direkter sein und als hätten Journalisten mehr Respekt vor dem Sport. Hier beschweren sich Leute zwar darüber, dass jedes Interview gleich ist, aber wenn Sportler mal etwas anderes sagen oder anders denken, ist es auch nicht in Ordnung. Es geht ja schon auf Instagram los: „Was denkt er, wer er ist. Ist er Rapper oder Fußballer?“ In Amerika ist das anders. Ich verfolge Basketball und Football schon ein bisschen länger. Und wenn da einer mal mit einem Lautsprecher auf der Schulter zum Spiel kommt, dann ist das zwar ein wenig verrückt, aber kein Aufhänger für einen riesigen Eklat. Es ist auf eine gewisse Weise künstlerische Freiheit. Im Endeffekt sind wir ja auch Künstler.
SOCIAL MEDIA und VEGANE ERNÄHRUNG
Du sprichst Social Media an. Verwaltest du deinen Instagram-Account selbst?
Ja, den bespiele ich selbst. Mit 17, 18 Jahren war mir die Eigendarstellung auf Instagram wichtig. Da ging es ständig darum, Fotos zu machen, um Inhalte zu haben. Aber so denke ich nicht mehr. Diese erzwungenen Postings sind nichts mehr für mich. Mir ist bewusst, dass mir Leute folgen und deshalb nutze ich Instagram als Tool, um meine Veränderung zu teilen. Ich zeige, dass ich vegan lebe und mich mit dem Thema Umweltschutz auseinandersetze. Mittlerweile sind diese Themen populärer geworden als noch vor ein paar Jahren. Ich habe mich vor drei Jahren auch noch nicht gefragt, wie wir leben und was das mit der Welt macht. Heute ist Instagram mein Sprachrohr, um solche Themen anzusprechen.
Wie kam es dazu, dass du deine Ernährung umgestellt hast? Warst du Vegetarier und bist dann auf vegan umgestiegen?
Nein. Ich bin von Fleisch direkt auf vegan umgestiegen. Ich hatte zwei, drei Faserrisse hintereinander und eine Zeit lang ging es mir gar nicht gut. Ich war krank und keiner wusste so wirklich, was los ist. Es war ganz komisch, so etwas hatte ich noch nie. Ich habe alles durchchecken lassen, war beispielsweise beim Zahnarzt und habe meine Zähne kontrollieren lassen, aber es war alles gut. Irgendwann bin ich bei der Ernährung gelandet. Ich habe mir die Dokumentation „What the Health“ angeschaut und daraufhin entschieden, nur noch einmal pro Woche Fleisch zu essen. Zwei, drei Wochen lang habe ich das so durchgezogen und mich in dieser Zeit noch mehr mit dem Thema Ernährung beschäftigt. Und dann habe ich entschieden, gar keine tierischen Produkte mehr zu essen. Zu der Zeit war ich noch in Berlin. Dort ist das Angebot an veganen Cafés und Restaurants super. Mir fehlte nichts. Und körperlich ist es seitdem nur besser geworden.
Was ist mit Vitamin B12, Proteinen und Eisen? Es heißt immer, dass man bei einer veganen Ernährung schnell einen Mangel erleidet. Hast du dich so ausführlich damit beschäftigt, dass du darauf Antworten für dich gefunden hast?
Ja, habe ich. Vitamin B12 ist das Einzige, was ich substituiere. Alles andere mache ich über die Ernährung.
Als Profifußballer wirst du oft untersucht. Wie sehen deine Blutwerte aus?
Interessanterweise hatte ich als Fleischesser immer einen leichten Eisenmangel. Mittlerweile ist davon keine Rede mehr. Also denke ich, dass ich keinen Mangel mehr habe.
Wo gehst du in Köln essen?
Ich gehe gerne beispielsweise ins „Sattgrün“, „Maki Maki“ und „Mai Wok“. Viele vegane Optionen gibt es nicht. Die fehlen in Köln ein wenig.
Das heißt, du kochst jetzt mehr?
Definitiv – auch wegen unserer Tochter. Ich mache supergute Udon-Nudeln mit Gemüse auf asiatische Art. Oder Quinoa mit Süßkartoffeln und Gemüse. Tofu-Bolognese kann ich auch sehr gut.
Bist du der einzige im Verein, der vegan isst?
In Berlin war ich zuerst der Einzige und bin es jetzt auch. In Berlin war es sehr schwer, ich bin auf sehr wenig Verständnis gestoßen. Hier in Leverkusen ist das gar kein Problem.
Es ist merkwürdig, dass das Thema Ernährung im Profisport so wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Die Aufmerksamkeit kommt so langsam. Ich denke, in fünf bis zehn Jahren wird das Thema normal sein. Aber es geht langsam voran – wie alles, das mit Veränderungen und Umdenken zu tun hat: Ernährung, Rassismus, Diskriminierung.
Viele platzieren auf ihrem Instagram-Profil einen Link zur eigenen Website. Du hast dort „Dominion Movement“ verlinkt. Was ist das?
Eine australische Dokumentation über Schlachthäuser und Pelzproduktion. Allerdings habe ich sie noch nicht zu Ende geschaut. Ich kann es einfach nicht. Ich musste ausschalten, weil es so schlimm war. Aber ich habe mir gedacht, dass sie jeder sehen muss; zumindest soweit möglich. Wenn man diese Dokumentation sieht, ist es für mich unmöglich, dass man nichts an seiner Lebensweise ändern will.
MODE
Du hast die Pelzproduktion erwähnt. Vegan zu leben bezieht sich nicht nur auf Ernährung, sondern auch auf andere Lebensbereiche. Beispielsweise auf Kleidung. Beziehst du es für dich auch auf Kleidung?
Ja, das war nach der Ernährungsumstellung die logische Konsequenz, aber es ist wirklich schwer herauszufinden, wer wie produziert. Dabei geht es ja nicht nur um Pelz oder Leder, sondern auch um Daunen, Seide usw. Vegan zu sein in Bezug auf Kleidung ist etwas, womit ich mich noch mehr beschäftigen will.
Früher wurdest du dank deiner auffälligen Outfits immer wieder auf der Facebook-Seite „Fußballer, die den Swag aufdrehen“ gefeatured. Mittlerweile sind deine Outfits ruhiger und auf diesem Facebook-Profil nicht mehr zu sehen. Wie beschreibst du deinen heutigen Stil?
Ich habe mich immer von den Städten inspirieren lassen, in denen ich gespielt habe. In München war ich sehr fixiert auf bestimmte Marken wie Givenchy oder Zanotti. Dann kam Berlin. Dort habe ich angefangen zu verstehen, dass Stil etwas Individuelles und Dynamisches ist.
DIE ZUKUNFT
Denkst du manchmal auch schon an die Zeit nach deiner Fußballkarriere?
Ich denke nicht an die Zeit nach der Karriere, sondern an die Zeit, wenn die Kinder aus dem Haus sein werden. Mein Traumszenario ist, dass ich dann in einem Haus am Strand lebe, jeden Morgen von der Sonne geweckt werde, auf die Veranda gehe und mich dort in eine Hängematte setze.
Du arbeitest in der Zukunft also nicht?
Doch, ich mache dann etwas mit Tierschutz. Aber das ist für mich wie mit dem Fußball. Tierschutz wäre auch keine Arbeit, sondern meine nächste Leidenschaft. Erinnerst du dich an die Freunde-Bücher von früher? Da habe ich bei „Berufswunsch“ immer geschrieben: Fußballprofi oder Tierschützer.