Der Sportwissenschaftler Yann-Benjamin Kugel machte schon den Fußballern von Werder Bremen, dem 1. FC Köln, RB Salzburg und beim DFB Beine. Heute betreut er unter anderem die israelische Nationalelf und die eSport-Profis von SK Gaming als Athletikcoach. Wir trafen ihn an der Kölner Sporthochschule und überzeugten uns von seiner Fitness und Expertise.
Text: Wolfgang Frömberg
Fotos: Daniel Roché
Deine Arbeit als Fitness-und Athletiktrainer ist eng mit dem Fußball verknüpft. 2014 warst du Mitglied des Stabs der deutschen Weltmeistermannschaft. Wolltest du mal Profispieler werden?
Ich habe als Kind nur ein halbes Jahr Fußball gespielt und bin dann zum Handball gewechselt. Das war meine Passion. Sportlich war ich überhaupt sehr aktiv: Fechten, Laufen, Judo, Skateboard, Mountainbike … Später wollte ich Arzt im sportmedizinischen Bereich werden, habe mich aber aus verschiedenen Gründen für das Studium an der Kölner Sporthochschule entschieden.
Kannst du dich an deine erste schwerwiegende Sportverletzung erinnern?
Die härteste war ein Kompartmentsyndrom. Da muss man im Endeffekt einen Schnitt machen, damit der Muskel wieder mit Sauerstoff versorgt werden kann, sonst droht die Amputation – am Unterschenkel habe ich noch eine Narbe wie von einem Haifischbiss. Das Schlimmste war, dass ich für längere Zeit keinen Sport treiben konnte. Ich trainiere normalerweise täglich zwei Stunden, die Regeneration mit eingerechnet.
Früher hatten Bundesligateams einen Konditionstrainer – fertig! Heute kümmern sich meist mehrere Spezialisten um die Fitness. 2008 bist du bei Werder Bremen als Athletiktrainer eingestiegen. Wie haben die Spieler damals auf diesen recht neuen Ansatz reagiert?
Unter den Bundesligateams wurde es gerade salonfähig, spezielle Athletiktrainer einzustellen. Die Übungen waren für die Spieler nicht vollkommen neu, aber natürlich bist du in der Rolle nicht gerade ihr bester Freund. Es gibt ja bestimmte Attribute für unsere Zunft – mal ist man der Schleifer, dann der Motivator. Es war manchmal schwierig. Insgesamt muss man ein dickes Fell haben, wenn man in der Fußballwelt bestehen will. Es geht dort nicht immer nur nett zu.
Was hat sich dort in den letzten zwölf Jahren im Bereich Fitness- und Athletiktraining verändert?
Es gab eine enorme Entwicklung – vor allem im Selbstverständnis der Vereine, dass der Athletikbereich professionell aufgestellt und mit dem medizinischen Bereich eng verzahnt sein muss. Es tauchen ständig neue Fragen auf: Was kann man von anderen Sportarten lernen? Welche Regenerationsmöglichkeiten gibt es? Und es gibt immer neue Antworten. Auch mein eigener kleiner „Werkzeugkasten“, den ich durch das Studium erworben habe, ist mit den Jahren wesentlich größer geworden. Ich lerne permanent dazu.
Wird im Fußball genug getan, um die Fitness der Profis zu gewährleisten?
Es gibt noch viel Potenzial. Bildlich gesprochen sind die Spieler die Maschinen der Firma. Wenn man sieht, wie viel Geld für sie ausgegeben wird und das dann mit den Kosten für das Personal vergleicht, das die Maschinen am Laufen hält … da ist die Diskrepanz weiterhin sehr groß.
Welche Zielvorgabe ist im Profibereich wichtiger – die Leistungsoptimierung oder die Verletzungsprävention?
Wenn du es richtig machst, kannst du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einfache Regel: Train like you play. Wenn du einen Muskel im Training nicht auf die folgende Belastung im Spiel vorbereitest, kann es passieren, dass der Muskel dieser Belastung nicht standhält. Grund dafür ist im professionellen Bereich oft die Angst vor zu hartem Training und die Sorge, im Spiel schwere Beine zu bekommen.
Wie macht man sich als Hobbysportler richtig warm?
Ratsam ist eine sportartspezifische Vorbereitung. Einige Male locker durch die Bewegungen gehen, die du nachher in explosiver Form machen wirst.
Hast du Tipps für die richtige Ernährung?
Ich bin kein Ernährungswissenschaftler und auch kein Freund von Dogmen. Persönlich orientiere ich mich am Clean Eating, weil sich das für mich gesund anfühlt. Körperlich und geistig. Darunter verstehe ich, so viel wie möglich unverarbeitet zu essen. Fleisch ja – aber in Maßen.
Ist Yoga inzwischen fester Bestandteil eines zeitgemäßen Athletiktrainings?
Yoga hat eine absolute Daseinsberechtigung im Leistungssport. Wir praktizieren mit den Spielern gerne Relaxationstechniken, durch die sie aus dem aktiven Yoga in eine fast schon meditative Form kommen. Das ist gut, um nach einem Spiel runterfahren und später besser einschlafen zu können und fördert Regenerationsprozesse. Yoga ist auch optimal für die Beweglichkeit. Vielen Spielern, mit denen ich über einen längeren Zeitraum zusammenarbeite, empfehle ich Yogalehrer meines Vertrauens. Das Feedback ist meist sehr positiv.
Du arbeitest mittlerweile auch mit den eSport-Profis des Teams SK Gaming. Worauf legst du in diesem Bereich den Fokus?
Handgelenke, Rücken, Unterarme werden stark belastet. Es geht für die eSport-Profis auch um Konzentrationsmaximierung für die vielen Stunden, die sie vor dem Rechner sitzen. Die Frage lautet einerseits, wie man die Performance vor dem Screen direkt verbessern kann, andererseits überlegen wir im Team, gegen welche nicht-positiven Haltungs‑, Bewegungs- oder neuronalen Muster man steuern muss.
Wie sieht die Zukunft des Fitness- und Athletiktrainings aus?
Das Gehirn spielt eine wichtige Rolle. Die Neurowissenschaft wird zukünftig noch bedeutender sein, und ihre Verbindung zu den klassischen Trainingsbereichen ist besonders spannend. Ich kann schneller werden, indem ich meine Muskeln trainiere, aber ich kann meine Leistung auch im neuronalen Bereich steigern. Das gilt es zusammenzubringen, sowohl in den älteren als auch in den jüngeren Sportarten.
Verrätst du uns zum Schluss deine größte Fitness-Sünde?
Ich esse ab und an etwas zu gerne Schokolade …
Das Interview ist auch in Ausgabe 01 zu lesen.